482. Die Maränen im Madünsee.
(S. Micrälius Bd. II. S. 279. Poetisch bearbeitet von Freyberg, Pommersche Sagen S. 14 etc.)
In dem Madünsee bei Stargard findet man häufig einen Fisch, der sonst nur in italienischen Seen vorzukommen pflegt. Dies ist die sogenannte Maräne oder Muräne. Man erzählt sich nun den Grund, warum dieser Fisch gerade hier und in keinem andern deutschen See gefunden wird, also.
Einst hat im Kloster Colbatz, welches an diesem Madünsee lag, ein Abt gelebt, der in Italien lange sich aufgehalten und dort solchen Geschmack an den Maränen gefunden hatte, daß er, weil er ein Leckermaul war, gar keine Ruhe hatte, bis er sich solche Fische verschaffen könnte. Der Teufel, welcher auf die Gelegenheit lauerte, eine Seele zu gewinnen, trat zu ihm und erbot sich, ihm so viel solche Fische verschaffen zu wollen, als er nur wolle, wofern er sich ihm verschreiben werde. Der Abt sperrte sich lange, endlich aber ward seine Lecksucht so groß, daß er auf den Vorschlag einging, allein sich ausmachte, der böse Feind müsse ihm die Fische vor dem Hahnenrufe bringen. Er glaubte nämlich, der Teufel könne den weiten Weg nicht [509] in so kurzer Zeit zurücklegen. Als nun der Teufel verschwunden war, da fiel dem Abt erst ein, in welchen bösen Handel er sich eingelassen habe, er betete also zu Gott, derselbe möge ihn doch aus den Krallen des Satans erretten. Er hatte aber kaum die letzten Worte seines Trostgebetes ausgesprochen, da hörte er in der Luft ein fürchterliches Brausen, es war der Teufel, der aus Italien mit einem ganzen Netz voll Maränen geflogen kam. In dem nämlichen Augenblicke aber, als er über dem See schwebte und nach dem Kloster flog, krähte der Hahn und der Glöckner im Kloster zog den Strang der Glocke, um die Brüder zur Hora zu rufen. Da sah der Teufel, daß er zu spät gekommen war und ließ vor Wuth das Netz mit den Maränen in den See fallen und da sind sie noch bis zu dieser Stunde.