691) Der heilige Sueder. 1
Sueder oder Switger, der vom Kaiser Otto dem Dritten zum Bischof von Münster erhoben ward, war wegen seiner Tugenden ein in ganz Deutschland hoch angesehener Mann. Einst hatte ihm einer seiner Kämmerer einen Hut gestohlen; der fromme Bischof redete ihn deshalb freundlich an und ermahnte ihn zur Reue über die begangene That. Da aber der Kämmerer den Diebstahl mit frecher Stirn ableugnete, so legte der Bischof ein Messer auf den Tisch, sprach einen Segen darüber und befahl dem Kämmerer, dasselbe wegzunehmen. Kaum hatte dieser das Messer ergriffen, so wurde es plötzlich glühend in seiner Hand, worauf er es wegwarf und reumüthig sein Verbrechen gestand.
Zu einer andern Zeit wurde dieser fromme Bischof bei dem Kaiser Otto heimlich angeschwärzt und nach Speier vor die Reichsversammlung berufen, um sich wegen mehrerer ihm angeschuldeter Verbrechen zu vertheidigen. Als er nun auf dem Wege dahin Gott um Hilfe anflehte gegen die Nachstellungen seiner Verleumder, sah er hoch über sich in der Luft zwei weiße Tauben fliegen und dachte in seinem Herzen: »Wie soll ich es dem Kaiser beweisen, daß ich schuldlos bin wie diese Thiere da?« Siehe, da kamen die Tauben hoch aus der Luft auf seine Schultern herabgeflogen und blieben da sitzen; er gebot ihnen im Namen des Herrn, ihm zu folgen, und sie flogen über seinem Haupte bis nach Speier. Da kam er zum Kaiser, öffnete das Fenster und sprach: »Herr Gott, gieb meinem Richter ein Zeichen meiner Unschuld!« Die Tauben kamen abermals geflogen, setzten sich leise und behutsam auf das Haupt des Bischofs und flogen wieder von dannen. Der Kaiser erstaunte, empfahl sich seinem Gebete und hieß ihn frei nach Münster zurückkehren, wo er in Frieden sechszehn Jahre lang regierte und um den 19. Novbr. 1012 im Herrn entschlief. Er wurde in dem alten Dom begraben und von allem Volke als ein Heiliger verehrt.
Fußnoten
1 S. Münsterische Geschichten S. 61.