200. Der goldene Stollen.

(Romantisch behandelt von Kypselos S. 86-109.)


Vor langen Jahren lebte ein reicher Müller zu Jauernick bei Lewin in der Grafschaft Glatz. Derselbe hatte eine einzige Tochter, die sehr schön war und in die sich ein armer Müllerbursche, den der Alte aus Gnade und Barmherzigkeit zu sich genommen hatte, verliebt hatte. Das Mädchen sah ihn aber auch gern und so versprachen sich denn die beiden Leutchen mit einander und meinten, der Vater werde am Ende auch zu ihrem Herzensbund sein Ja sagen. Sie traten also schließlich zusammen vor ihn hin und öffneten ihm ihr Herz, allein sie hatten zuviel auf die väterliche Nachsicht gebaut, der alte Müller hatte Anderes mit seiner Tochter im Sinne, der arme Müllerbursche war ihm zu schlecht, und so hieß er ihn denn seines Weges ziehen und seine Tochter in Ruhe lassen. Als nun aber das Mädchen ihm unter Klagen und Weinen um den Hals fiel und versicherte, daß sie ohne den Burschen nicht leben könne und lieber sich das Leben selbst nehmen als einen Andern ehelichen wolle, da ward der Alte doch etwas gerührt und er sagte als sein letztes Wort, jetzt dürften sie sich allerdings noch nicht heirathen und der Jacob müsse auch aus dem Hause, allein wenn er nach [208] drei Jahren mit soviel Geld in der Tasche wiederkehre, als nöthig sei, um den halben Kaufpreis seiner Mühle zu bezahlen, da solle er seine Tochter zur Frau haben, sei aber diese Frist vorüber und er sei nicht wiedergekehrt oder habe nicht wenigstens die verlangte Geldsumme aufzuweisen, sei sie für immer für ihn verloren. Dagegen war nichts zu sagen, der Müllerbursche schnürte sein Bündel und zog voll guter Hoffnung hinaus in die Welt, denn er dachte sich in den drei Jahren, die er noch vor sich hatte, wohl soviel ersparen zu können, als sein künftiger Schwiegervater verlange. Und bereits war das dritte Jahr fast abgelaufen und er hatte wirklich so viel zusammengebracht, als ihm zur Erreichung seines höchsten Wunsches nöthig schien und er war schon auf der Rückreise nach seinem Heimathsdorfe, da trug es sich zu, daß er von langer Wanderung todtmüde sich in einem Gebüsche am Rande der Heerstraße niederwarf und in einen tiefen Schlummer sank. Da kam desselben Weges ein lüderlicher Strolch gezogen, als der auf dem Rasen den schlummernden Handwerksburschen gewahrte, da dachte er, es könne wohl sein, daß er ein Paar Sparpfennige in seinem Ränzel habe, er schlich sich an ihn heran und öffnete ohne Geräusch das Felleisen und als er dasselbe wohl gespickt mit schönen Goldstücken sah, da stahl er sie heraus und schlüpfte durch das Gebüsch auf Nimmerwiedersehen davon. Als aber der arme Müller endlich erwachte, da sah er die Bescherung, sein Felleisen lag aufgebrochen neben ihm, aber all sein mühsam erspartes Eigenthum war dahin und mit demselben auch seine Hoffnung seinen Schatz je sein nennen zu dürfen. Was half aber alles Jammern und Weinen, hier konnte er doch nicht bleiben, dem Diebe, den er nicht kannte, konnte er auch nicht nachlaufen und so mußte er sich denn auf die Socken machen und eilen, ein Nachtlager zu bekommen. Er schritt also mit leichtem Ranzen, aber schwerem Herzen fürbaß und kam spät am Abend an die Thore Wiens, mußte aber natürlich in einer elenden Herberge Einkehr nehmen, denn Geld hatte er so gut wie gar nicht mehr, um sich einen bessern Aufenthalt suchen zu können. Als er nun in der Stube des Wirthshauses traurig bei seinem kärglichen Abendbrode saß, da sah er, daß drei fremde Männer, welche ihm wie Welsche vorkamen und an einem andern Tische saßen und lustig zechten, ihn aufmerksam anblickten. Endlich redeten sie ihn an, tranken ihm ein Glas heurigen zu und hießen ihn aus ihrer Weinkanne Bescheid thun. Anfangs wollte er zwar nicht recht daran, aber Zureden hilft und als er einige Gläser des feurigen Oberösterreichers getrunken, da wurde er gesprächig und erzählte den Fremden, was ihm Trauriges begegnet war. Da meinten sie, es wäre wohl möglich, daß sie ihm helfen könnten, er müsse natürlich aber auch seinerseits ihnen einen Gefallen thun. Sie fragten ihn, ob er nicht, da er bei Lewin im Glatzer Lande zu Hause sei, den sogenannten goldenen Stollen kenne. Er antwortete, diesen kenne er allerdings, er liege nicht weit von seinem Heimathdorfe, am Fuße der hohen Mense und in der Nähe der Seefelder, es sei ein Felsen, der einen großen Spalt habe, in welchem der Sage nach große verwünschte Schätze verborgen lägen. Sie fragten ihn nun, ob er sie wohl dorthin führen könne. Der Müller antwortete, das könne er wohl, wenn sie aber etwa gedächten, die dort liegenden Schätze heben zu wollen, so möchten sie sich dies nur vergehen lassen, das hätten schon Viele versucht, aber gelungen sei es noch Keinem. Da meinten [209] aber die Welschen, das sei ihre Sorge, sie verlangten von ihm nur, daß er ihr Führer sei, wenn er sie hingebracht, würden sie schon selbst fertig werden, ihm sei reicher Lohn gewiß. Damit hießen sie ihn sein Strohlager suchen und er mußte ihnen versprechen, sich am andern Morgen nicht ohne sie entfernen zu wollen.

Jacob wurde am nächsten Tage durch eine eisige Kälte aufgeschreckt, welche seine Glieder krampfhaft schüttelte. Er selbst sah sich aus der Herberge, wo er schlafen gegangen war, ins Freie versetzt, er lag auf der kalten Erde, welche mit niedrigem Moose und spärlichem Grase bedeckt war. Er sprang ängstlich in die Höhe und sah sich zuerst nach seinem Ränzel um, von dem er wußte, daß er es am Abend zuvor unter seinem Kopfe gehabt hatte. Allein kein Ränzel war zu sehen und in demselben Augenblicke fiel ihm ein, daß möglicherweise die drei Fremden es ihm, so wenig es auch noch enthielt, gestohlen haben könnten. In dieser Vermuthung ward er aber um so mehr bestärkt, als er die Welschen selbst nicht sah, von denen er doch wußte, daß sie am Abend zuvor noch neben ihm auf dem Strohe gelegen hatten. Er fing also an laut über sein Mißgeschick zu klagen und über die treulosen Räuber, für welche er die Fremden hielt, zu fluchen. Mittlerweile aber wurde es heller Tag und die feuchten Nebel, welche bis dahin die Gegend umhüllt und eine Aussicht in die Thäler und Ebenen von dem hohen Standpunkt, wo der Müller sich befand, verhindert hatten, senkten sich in die Tiefe und plötzlich verstummte er vor Verwunderung, er erkannte die Gegend wo er sich befand, er war nicht mehr in Wien, sondern in seiner Heimath, am Fuße des Berges sah er aus dunkeln Gebüschen einzelne Teiche im Lichte der Sonne heraufglänzen, er stand auf der hohen Mense, da unten lagen die Seefelder und dort war das Böhmerland. In demselben Augenblick aber traten hinter einer Felswand die drei Welschen hervor und hießen ihn guten Muthes sein, denn sie wollten ihm sein mageres Ränzel, welches sie bei ihrer Reise auf ihren Mänteln durch die Luft verloren hätten, zehnmal ersetzen. Nur solle er sein Versprechen erfüllen und sie nach dem goldenen Stollen führen. Jacob faßte aber jetzt Vertrauen zu den Fremden, denn er sah, daß sie mehr konnten als Brod essen, und er hieß sie also ihm folgen und so führte er sie denn auf einem allerdings sehr beschwerlichen Wege bis an einen mächtigen Felsen, über welchen sich ein kleines Bächlein in die Tiefe herabstürzte. An diesem konnte man deutlich eine weite, an den Rändern mit feuchtem Moose bewachsene Oeffnung wahrnehmen. Diese bezeichnete er ihnen als den Eingang zum goldenen Stollen und verlangte nun aber auch die Bezahlung für seine Führerschaft. Die Fremden aber meinten, er solle seinen Lohn schon bekommen, wenn das Werk vollbracht sei, er möge doch aber selbst mit hinab in die Eingeweide des Schachtes steigen, es sei keine Gefahr dabei, er solle ihnen nur folgen und das thun, was er sie thun sähe, aber bei Leibe kein Wort sprechen.

Zwar war diese Verzögerung Jacob eigentlich nicht recht, allein da er sich überlegte, die Fremden könnten, wenn er nicht mitgehe, vielleicht gar durch einen andern ihm nicht bekannten Ausgang den Berg wieder verlassen und er somit seines gehofften Lohnes verlustig gehen, so könne er aber vielleicht selbst noch einiger Goldklumpen theilhaftig werden, er beschloß also den Hinabgang mit ihnen zu wagen und versprach ihnen mitzugehen. Nachdem sie [210] nun eine kurze Weile am Fuße des Felsens gerastet hatten, um sich von ihrem angestrengten Marsche zu erholen, fällten sie einen hohen Baum mit vielen Aesten, hieben dieselben bis auf einen Zoll vom Stamme weg, schleppten ihn nach dem Felsen und ließen ihn dann durch die Oeffnung desselben hinab. Nun stiegen sie an den Astresten wie auf den Sprossen einer Leiter hinab und befanden sich bald in einer ziemlich geräumigen Höhle, die sich nach oben zu immer mehr verengte und nur ein schwaches Dämmerlicht durch die Oeffnung nach außen erhielt. Nach keiner Richtung war aber eine Fortsetzung oder Ausgang dieses von vier kahlen Felsenwänden gebildeten Gemaches wahrzunehmen. Einer der Welschen nahm nun ein schwarz eingebundenes Buch aus seiner Tasche, zündete eine schwarze mitgebrachte Kerze an und fing an aus demselben eine sonderbar klingende Beschwörungsformel, von der aber der Müllerbursche keine Sylbe verstand, vorzulesen. Als er einige Worte gesprochen hatte, öffnete sich auf einmal die eine Seite der Felswand und man gewahrte eine dicke eiserne Thüre, da las der Welsche wiederum einige Worte aus dem Buche und auch diese Thüre sprang auf und nun zeigte sich auf einmal ein langer schmaler Gang. In diesen traten jetzt die vier Männer ein, schritten einige Minuten in demselben fort und standen auf einmal vor einer zweiten eisernen Thüre. Hier fand genau dasselbe Verfahren statt, nachdem einer der Fremden einen Spruch aus dem Zauberbuche gelesen, sprang auch diese Thür auf und nun zeigte sich abermals ein Gang, der hinten von einer dritten Thüre geschlossen ward. Vor dieser lag aber ein ungeheurer schwarzer Hund, der die Kommenden mit feurigen Augen anglotzte. Der Beschwörer aber ließ sich von ihm nicht stören, sondern las abermals einige Beschwörungsformeln aus dem bewußten Buche und das Unthier schlich willig zur Seite, legte sich ruhig hin und schloß die Augen. Dann trat jener einige Schritte vorwärts, wiederholte sein Verfahren und auch die dritte Thüre wich vor der Macht seiner Beschwörungsformel. Nun traten sie in ein langes geräumiges Gemach, von dessen Decke goldgelbe Zapfen herabhingen, welche den Schimmer der Kerze zurückstrahlten und eine auffallende Helligkeit verbreiteten. In einer Ecke waren jedoch die Wände ganz schwarz, und hier saß auf einem Haufen dicker Goldklumpen ein eisgrauer Mann in uralter Tracht mit langem Barte in tiefem Schlafe, sein rechter Arm, der eine Axt hielt, hing schlaff herab. Ohne sich an den Alten zu kehren zogen nun die Welschen aus ihren Manteltaschen Handbeile heraus, schlugen eine Menge der goldenen Zapfen herab, konnten aber doch den Schläfer trotz des Lärmes, den diese Arbeit machte, nicht erwecken. Mit diesen abgeschlagenen Zapfen füllten sie vier mitgebrachte Säcke an, von denen jeder von ihnen einen auf die Schulter nahm, den vierten aber packten sie Jacob auf. Darauf verließen alle die Schatzkammer, der Welsche aber mit der Kerze machte den Beschluß. So wie sie hinausgetreten waren, schloß sich auch die eiserne Thüre hinter ihnen, der schwarze Hund sprang aus dem Winkel hervor und legte sich knurrend wieder vor die Thüre, ebenso schnell sprangen dann auch die zwei andern eisernen Thüren auf, schlugen aber eben so schnell wieder zu, sobald die vier hindurch waren. Als sie nun schließlich wieder in die erste Höhle gelangt waren, bis wohin sie den Baumstamm hinabgelassen hatten, da hatte sich auch die Oeffnung in dem Felsen wieder geschlossen, welche zuerst die eiserne Thüre [211] zugänglich gemacht hatte und jetzt, nachdem die Kerze ausgelöscht worden war, da ließen sie auch wieder ihrer Zunge freien Lauf und lobten den Müller wegen des von ihm bewiesenen Muthes. Auf seine Frage, wer denn der schlafende Alte gewesen sei, erfuhr er, daß dies ein früherer Schatzgräber gewesen, der aber etwas bei seinem Unternehmen versehen hatte und nun dort ewig schlafen müsse. Ein gleiches Loos hätte natürlich sie auch treffen können. Jetzt erkannte der Müller erst, in welcher Gefahr er gewesen. Nun hatten sie jedoch noch ziemlich viel Mühe damit, die schweren Säcke über die Aeste des Baumstammes ins Freie zu bringen, allein endlich brachten sie auch noch dies zu Stande und als sie nun außerhalb des Schachtes waren, da überredeten die Welschen den Müller, er möge ihnen auch den Sack, den er mit aus der Schatzkammer genommen, überlassen, denn er könne doch mit den darin befindlichen Goldzapfen, als verwünschtem Golde nichts anfangen, sie wollten ihm 300 Dukaten, die sie gerade bei sich führten, dafür geben, diese Summe werde jedenfalls hinreichen seinen zukünftigen Schwiegervater zufrieden zu stellen. Was wollte Jacob machen, die Goldzapfen hätte er doch nicht einschmelzen können und sie zu verkaufen fürchtete er sich, denn er dachte, man werde fragen, wo er sie her habe. Er nahm also das Geld und führte die Welschen wieder nach der hohen Mense, wo sie sich vor seinen Augen auf ihre Mäntel setzten und auf und davon fuhren. Er aber eilte jetzt ohne einen Augenblick zu verlieren querfeldein über Stock und Stein, über Berg und Thal, durch Wald und Moos geraden Wegs in die Mühle zu seiner Geliebten, und als er in die niedrige Stube trat, wo sein zukünftiger Schwiegervater gerade mit seiner Tochter bei Tische saß, da warf er die 300 Goldstücke, die er von den Welschen bekommen, hin auf die Erde und rief: »Hier ist der Preis für Euere Tochter, ich habe mir das Geld sauer genug verdient, nun haltet auch Ihr Euer Wort!« Der Müller aber sprach: »Auch ohne dieses Geld wärest Du mir willkommen gewesen und hättest mein Mädchen zur Frau bekommen, denn ich habe sie aus Sehnsucht nach Dir von Tage zu Tage hinwelken sehen, und da hat mir das Herz weh gethan und ich habe mir gelobt, daß ich sie Dir auch wenn Du ganz arm zurückkehren würdest, freudig zum Weibe geben wolle.« So wurden Beide doch noch ein glückliches Ehepaar.

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