802. Der Affe zu Dhaun.

(S. Bechstein, Deutsches Sagenbuch S. 70.)


Hoch über dem Städtchen Simmern liegt der alte rheingräfliche Burgsitz Dhaun, das war einst ein stattliches und schönes Grafenschloß, mit herrlichem säulengezierten Palaste, und über dem Eingange wird ein Wahrzeichen erblickt, ein Affe, der einem Kinde einen Apfel darbietet. Hierüber geht aber folgende Sage. Es hatte einst hier ein Burggraf ein Kind gehabt, das hatte eine Wärterin, die wiegte das Kind im schattigen Burghof, und da der Tag ein Sommertag und schwül war, so nickte sie ein und als sie aufwachte, war das Kindlein aus der Wiege heraus und fort. Da ward ihr angst und bange, und wie sie auch es ringsum suchte und in alle Winkel lugte, es war und blieb verschwunden. Da schlug ihr der Schreck in alle Glieder, zitternd vor dem Zorn des Grafen und der Gräfin dachte sie nichts Besseres thun zu können, als ihr Leben zu retten und stürzte in den Wald, um auch da vielleicht noch eine Spur zu finden. Da kam sie in ein dunkles Dickicht und siehe, [712] da saß der Affe, den der Graf hielt, und hatte den jungen Grafensohn auf seinen haarigen Armen und küßte ihn gar zärtlich und schaukelte ihn, legte ihn dann sanft auf ein Lager von Moos, bot ihm einen Apfel dar, und als er den nicht annahm, sondern einschlief, wehrte der Affe eine Zeit lang die Fliegen von ihm ab, und dann entschlief er selbst. Deß war die Amme froh, schlich leise hinzu und nahm das Kind und trug es fröhlich wieder zur Veste Dhaun hinauf, wo schon alles unruhig war, rufte und nach ihr suchte. Da verkündete sie laut die That des Affen, und die erst entsetzten, nun hocherfreuten Eltern beschlossen, dieselbe in Stein ausgehauen über dem Thorbogen ihres Schlosses verewigen zu lassen.

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