943. Der Stadtwald von Wolfhagen.
(S. Lyncker S. 138.)
Zu Wolfhagen lebte einst eine sehr kluge Frau, Agnes von Bürgel genannt. Diese hat die Kunst verstanden, ihre Wäsche, wie einst die h. Elisabeth, ohne Seil zum Trocknen in die Luft zu hängen. Sie ist Ursache, daß der große Wolfhagener Stadtwald gewachsen ist. Die ganze Strecke nämlich, auf welcher derselbe steht, war ehedem Ackerland und gehörte dem Grafen von Waldeck, allein dieser hatte es an die Frau Agnes verpfändet und diese zog lange Jahre ihren Nutzen daraus. Endlich aber wollte jener dieses schöne Stück Land wieder einlösen und forderte es zurück, die Gräfin aber weigerte sich, weil er den Einlösungstermin nicht eingehalten hatte. Es entstand nun ein langwieriger Prozeß hierüber und die Gräfin schlug vor, ihn durch einen Vergleich zu beendigen. Sie machte sich nämlich aus, die Strecke nur noch einmal besäen zu dürfen, nach der Ernte könne der Graf ruhig davon Besitz ergreifen. Letzterer nahm dies auch an, allein er war vollständig betrogen, denn die Edelfrau ließ zwar das Land pflügen und besäen, allein nicht mit Getreide oder Hülsenfrüchten, sondern mit Eicheln. Als nun der Herbst herankam, da ritt der Graf hinaus aufs Feld um zu sehen, ob nicht bald die Ernte eingeheimst werde, allein da sah er, daß die ganze Strecke mit jungen Eichenpflänzchen überdeckt war und er von Frau Agnes vollständig überlistet war. Er mußte wieder heimreiten, denn eine Ernte an diesem Orte konnte er niemals erleben. Die Eicheln waren herrlich aufgegangen und es dauerte nicht lange, so stand ein junger Wald an dieser Stelle; die Bäumchen wuchsen heran zu mächtigen Eichen und stehen noch bis auf den heutigen Tag. Als aber die Edelfrau ihr Sterbestündlein herannahen sah, vermachte sie zuvor ihre Gerechtsame an dem Wald der Stadt Wolfhagen und diese besitzt ihn heute noch.