237. Der Thurm zu Sagan.

(S. Gödsche S. 151.)


Herzog Hans I. von Sagan war ein wüster und grausamer Mensch, ein Menschen- und Thierquäler, gehaßt und gefürchtet von allen seinen Unterthanen. Einst hatte er wieder sein edles Leibroß bis aufs Blut gepeitscht und gespornt, da bat ihn seine sanfte Gemahlin, er möge doch von solcher Grausamkeit abstehen und bedenken, daß dieses Thier ein Geschöpf Gottes sei, an welchem sich so zu vergreifen große Sünde sei. Hans aber erzürnte sich über ihre Mahnworte dermaßen, daß er ausrief: »Fühl selber, wie das thut!« Darauf zwang er sie niederzuknieen und ritt auf ihr mit Sporen gleich wie auf einem Pferde und riß ihr damit tief ins Fleisch. Als dies geschehen, trieb er sie aus dem Hause und verstieß sie, denn sie war ihm längst ein Dorn im Auge gewesen. Nun trat aber der fromme Abt des Augustinerklosters daselbst vor ihn hin und verwies ihm seine Grausamkeit und hieß ihn in sich gehen, damit er nicht einmal plötzlich in seinen Sünden dahinfahre. Hans aber verlachte ihn und wies auf den hohen, festen und neuen Kirchthurm und sprach: »Pfaff, wenn der Kirchthurm einfällt, will ich Dir glauben!« Darauf ließ er dem Abte die Augen ausstechen und kehrte sich nicht daran, daß dieser ihn verfluchte.

Am 12. Februar des Jahres 1439 stürzte aber der feste Kirchthurm ohne Ursache und Anlaß zusammen und Niemand ward verletzt, nur der Thurmwächter bekam vom Sturze einen lahmen Fuß. Als aber der Herzog erfuhr, was geschehen war, da erkrankte er von Stund an vor Schreck und wenige Wochen darauf starb er.

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