619. Der Brodstein bei Oliva.
(S. Hartknoch, Alt- und Neu-Preußen S. 435. L. David Bd. VII. S. 44. Hennenberger S. 339. Temme S. 209. Ziehnert Bd. I. S. 247 etc.)
Oliva ist ein reiches Mönchskloster eine Meile von Danzig gewesen. Als im Jahre 1697 die sächsischen Truppen anmarschirten, mußte der Prinz [591] Conti mit den hier hausenden Franzosen Reißaus nehmen und über Hals und Kopf zur See gehen. Davon kommt in Preußen das Sprichwort: »Es wird Dir gehen wie den Franzosen zu Oliva!«
In der Kirche dieses Klosters wird heute noch ein Stein gezeigt, der ehemals Brod gewesen sein soll. Es hat nämlich bei einer Hungersnoth zur Zeit des Hochmeisters Conrad Zölner ein Jacobsbruder, oder, nach Andern, ein Schuhknecht aus Wehlau in diesem Kloster als Almosen ein Brod erhalten, das steckte er in seinen Busen und ging damit nach Danzig. Unterwegs trifft ihn eine arme Frau mit ihren zwei Kindern, von denen sie das eine auf den Armen trägt, das andere aber an der Hand führt, und bittet ihn für diese um ein Stückchen Brod. Der Hartherzige sagt erst, er habe keins, als aber die Frau ihm vorwirft, wie er so frech lügen könne, da sie ja das Brod selbst gesehen, da schwört er, es sei nur ein Stein, um damit die Hunde abzuwehren 1. Als er nun aber nachher das Brod verzehren will, da ist dasselbe zu Stein geworden. Er erschrickt, bereuet sein Verbrechen, geht ins Kloster zurück, gesteht, was er gethan, und hängt zum ewigen Gedächtniß den Stein in der Kloster-Kirche auf.
Nach einer andern Sage hätten aber bei der Plünderung des Klosters im Jahre 1617 einige lutherische Soldaten vom Heere des Schwedenkönigs Gustav Adolph ihre unheiligen Hände an das heilige Brod legen und es verzehren wollen, da sei selbiges vor den Augen der Soldaten in Stein verwandelt worden, wie denn auch die Spuren des Daumens, mit dem dieselben in das Brod gegriffen, noch jetzt in demselben kenntlich sind.
Fußnoten
1 Ist genau eigentlich dieselbe Geschichte wie oben Nr. 601, nur mit einer anderen Lokalität.