231. Die Kinderandacht in Schlesien.

(S. Berckenmeyer, Curieuser Antiquarius S. 810.)


Anno 1708 den 14. Februar war in Schlesien während der Religionstractate zwischen den Kaiserlichen und Königlich Schwedischen die sogenannte Kinderandacht, welches eine dermaßen seltsame Sache war, dergleichen man in der Historie, so lange die Welt gestanden, kaum finden wird. Denn es versammelten sich in unterschiedlichen Fürstenthümern, Städten [264] und Dörfern, auf dem Felde unter freiem Himmel des Morgens früh eine Menge Kinder männlichen und weiblichen Geschlechtes von 6-14 Jahren und schlossen einen Kreis zusammen. Diese Zusammenkunft erwählte aus ihnen einen geistlichen Vorsteher und Vorsänger, welcher mitten in den Kreis trat und eine gute Ordnung unter ihnen machte. Dieser gab hernach das Zeichen, daß sie sich alle mit ihrem Angesichte auf die Erde legten und das heilige Vaterunser leise beteten, sie stunden dann wieder auf und fingen an einmüthiglich schöne Lieder zu singen, darunter die bekanntesten waren: »Liebster Jesu, wir sind hier. Es ist gewißlich an der Zeit. Nur nicht betrübt, so lang Dich Jesus liebt etc.« Nach solchen Gesängen betete der Vorsänger etliche auf die gegenwärtige Zeit sich sehr wohl schickende Gebete und Psalmen knieend, stand darnach wieder auf und sie sangen: »Der Herr segne Dich.« Und endlich: »Nun Gott Lob es ist vollbracht!« Beim Abschiede ersuchte der Vorsänger die versammelten Kinder, daß sie um 11 Uhr Vormittags und 3 Uhr Nachmittags an demselben Orte in gebührender Andacht sich wieder einfinden möchten. Dieser Kindereifer konnte durch keine Macht der Eltern abgehalten werden, bis endlich die Herrschaft mit Gewalt sie abhielt und ihnen befahl, ihre Andacht in Kirchen, Schulen und Häusern zu halten.

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