1414. An Nanda Keßler

1414. An Nanda Keßler


Mechtshausen 7. Sept. 1903.


Meine liebe Nanda!

Dein munterer Brief hat mir gezeigt, daß ihr euch allerseits wohlbefindet. Du erinnerst mich an ein Versprechen, während ihr doch rings umschwärmt [211] scheint von hübschen Verwandten. Da käm ich kaum recht. Jedenfalls versprach ich mit Vorbehalt nach dem Grundsatz:

Sage nie: Dann soll's geschehen!
Öffne dir ein Seitenpförtchen
Durch "Vielleicht", das nette Wörtchen,
Oder sag: Ich will mal sehen!

Grete, die angenehme, die neulich auf acht Tage bei uns war, wünscht, ich soll, eh sie sich vermählt, noch einmal nach Münster kommen. Vielleicht! Ferner will der Neffe Otto demnächst auf Urlaub an die Ostsee, und ginge ich gleichzeitig weg, so bliebe im Hause kein Mannsbild zurück. So liegt der Kram durcheinander; aber die Zeit, die alte fleißige Putzfrau, wird's wohl in Ordnung bringen. Nur darf es nicht zu kalt drüber werden, denn dann bleib ich am liebsten beim heimischen Dauerbrenner.

Vorläufig werden wir noch zuweilen mit sonnigen Tagen beglückt. Auch die Abende sind mild und klar. Grad jetzt, da ich schreibe, seh ich vom Tisch aus durchs Fenster den Silbermond, wie er, in sich zufrieden, hinunter wandelt nach dem dunkelbewaldeten Berge zu.

Herzliche Grüße, liebe Nanda, an dich und deine Kinder von

Onkel Wilhelm.

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