1605. An Nanda Keßler
1605. An Nanda Keßler
Mechtshausen 19. Aug. 1907.
Meine liebe Nanda!
Bewaffnet mit der Schneebrille, um nicht verblendet zu werden, schwebt mein sogenannter Geist zuweilen über den Wellen bei Scheveningen und besichtigt die reizenden Meerminnen, die dicken und die dünnen, die neckisch im Waßer plätschern. – Auch besuch ich in Gedanken recht oft die nahegelegenen holländischen Orte, wo "hübsche" Bilder hängen. Euch traf ich – zufällig – dort nicht bis jetzt.
[269] Über den Harry lauten die Nachrichten leider nicht günstig. Ich hoffe nächstens auf beßere.
Heut in 8 Tagen, obgleich ich mich nur ungern in der Eisenbahnschachtel verpacken laße, will ich mal endlich nach Verden fahren, nicht ganz auf zwei Wochen.
Meine Schwester ist in Schwerin bei den Verwandten zu Besuch.
Der Neffe Otto kam durch Frankfurt; aber die Vögel in der Wiesenau waren ausgeflogen. Er läßt sie grüßen.
Bei uns herrscht abwechselnd warmes Butter- und kaltes Hinterfußwetter. Schon weht der Wind über die Roggenstoppeln. Ade! Sommer!
Nun haltet euch gut, liebe Nanda! Häutet euch innen und außen und denkt auch gelegentlich an euren alten
Onkel Wilhelm.