1118. An Otto Nöldeke
1118. An Otto Nöldeke
Wiedensahl 18. März 97.
Lieber Otto!
Ich wollte mal anfragen, wie es euch geht, ob Martin noch immer kein Redner geworden und was ihr im Garten verrichtet habt.
Bei uns ist es recht einsam, seit Mutter und Grete, die muntere, fort sind.
Vorigen Sonnabend, weil die Witterung günstig schien, machten wir die winterlich verpackte Hinterthür los. Sofort blies der Wind von Norden und dann von Osten, doch nur einen Tag lang. Hernach ist's warmer Frühling geworden; seit heute mit Sturm und Regen; eben donnert's sogar nach Loccum hinüber.
Früherbsen, Saubohnen, Wurzeln, Spinat, Petersilie sind untergebracht. Lange, der vor dem Hause tannene Spricker hackt, sollte eigentlich zu Nachmittag die Rosen aufbinden, die schon frei gemacht sind; aber das Unwetter hat ihn vertrieben.
Die Schneeglöcken blühen ab; die Pseudonarzißen haben dick geschwollene Köpfe; das Arum steht in Blättern; Tulpen, Petönnien, Rhabarber entwickeln sich; einige Maiblümchen spitzen schüchtern aus der Erde hervor.
Anderthalb Tage war Meister Schär bei uns. Außen hat er die Wände geflickt, innen vor Küche und Schrank querher einen Teppich von Backsteinen gelegt und dabei schönstens gespuckt und gekleckert.
Heute tapezirt und vermalt Heinrich Nickels die kleine Kammer nach der Straße hinaus; nachdem sie Meister Denker vorher, soweit's nöthig, getäfelt hatte. –
Und also bitte, gieb bald einmal Nachricht.
Herzliche Grüße an Dich und Else!
Dein getreuer Onkel
Wilhelm.