38. 1

In alter Zeit ist mal eine Frau gewesen, die war eine Hexe und hatte eine andere Frau ums Leben gebracht, darum sollte sie zu Tode gebrannt werden. Da sagten die Richter, wenn sie ihnen ein Räthsel aufgeben könnte, das sie nicht herausbrächten, so sollte ihr das Leben geschenkt sein. Da besann sich das Weib, als es schon auf dem Henkerswagen saß und gab ihnen zu rathen auf, was das wäre:

»Up'n bome satt eck,
Ungebôren fläisch att eck,
Hartläiw (Herzlieb) lüchte mî,
Un doch gräode mî.«

Das brächten sie nicht heraus, sagten die Richter, was denn das wäre. Da sagte das Weib: die Frau, die sie umgebracht, hätte ein ungeborenes Kind getragen, das hätte sie herausgeschnitten, geschlachtet und gegessen; ihr eigenes Kind, Herzlieb, hätte sie auch geschlachtet, das Fett herausgebraten und auf die Lampe gegossen; diese Lampe hätte ihr leuchten müssen, als sie auf einem Baume saß und das Fleisch des ungeborenen Kindes aß.

Da mußten die Richter das Weib frei geben und durften es nicht verbrennen, ob es schon eine Hexe war.

Fußnoten

1 Vgl. Volksmärchen Nr. 19.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek