54. An Caspar Braun

[48] 54. An Caspar Braun


Wiedensahl d. 19 Aug. 68.


Mein lieber Herr Braun!

»Getheilter Schmerz ist halber Schmerz.« – Ich habe oft mit einer kleinen Schadenfreude daran gedacht, daß Sie diese Zeit her auch wohl recht unter der Hitze geseufzt haben; denn so ungerecht wird der Himmel doch nicht sein, daß er am End über Ihrem Haupte eine kühlere Sonne hätte leuchten laßen, als über unsern norddeutschen Bundeshäuptern, von denen Viele behaupten wollen, daß sie so schon des Sorgenschweißes genug vergößen. – Sei's in der Sonne oder im Schatten, in Haus oder Garten, bei Tag oder bei Nacht – alles einerlei! – immer in der Pfanne! –

Und diese hartnäckige Tropensonne, welche Hirn und Glieder des Menschen dürr, träg und mürbe macht, scheint obendrein das Satansgezücht der Insekten (die Bienen ausgenommen) mit belebendem Feuer zu durchglühen und ihre Gelenkigkeit, Energie und Blutgier zu verdoppeln. Im Sopha betasten und belecken Einen die Stubenfliegen, im Bette geben die Mücken keine Ruh, diese Ausgeburten des Schlammes, welche mit leisem Kriegsgesange ihr Opfer umkreisen und jede Blöße (und was für Blößen giebt man sich jetzund!) sofort für ihren Blutdurst zu verwerthen wißen. Oder findet man etwa unter irgend einem Apfel= oder Pflaumenbaume noch ein Plätzchen, welches nicht ganz verdorrt ist, so sind Ameisen, Ohrwürmer und Tausendfüße alsbald in voller Thätigkeit, um Einem auch diese letzte Zuflucht und Erquickung gründlich zu versalzen.

Als ein Zeichen jedoch, daß ich diesen Drangsalen nicht gänzlich erlegen, sende ich Ihnen die ersten 26 Stöcke zu den »Bienen« und, noch vor der Kartoffelerndte, die Reime zur »Fliege«, denen das übrige Ungereimte nach der glücklichen Einheimsung jener nützlichen Knollen folgen soll. Da Sie so freundlich waren, mir ein Honorar dafür anzubieten und ich's gebrauchen kann, so mögen Sie mir gefälligst für jedes dieser Versconglomerate 8 Gülden gut schreiben.

Mit freundlichem Gruß an Sie und Herrn Schneider

stets Ihr ergebenster

W. Busch.

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