375. An Johanna Keßler
375. An Johanna Keßler
München Samstag. [13. Januar 1877]
Liebe Tante!
Nachdem ich mir in Würzburg den Weisheitszahn in der linken Backe an einer zähen Semmel ausgebißen, kam ich hier bald nach Neun an; natürlich unter dem Geschwirr einiger graugrünen Grillen. So gegen Zehn ging ich in den Künstlerverein, wo ich Gedon und Kaulbach traf, trank 3 Glas Bier und erwachte mit gelindem Schädelbrummen. Heute bei Lenbach. Ich werde bei ihm malen können. Er lud mich auch ein, täglich bei ihm zu eßen, was ich aber abgelehnt. Morgen werd ich bei Gedon zu Mittag sein.
Werd ich bald ein paar freundliche Worte von Ihnen hören? Das würde mir bei dem Regen und Schlackerschnee sehr wohl thun.
Herzliche Grüße an Alle!
Ihr W.B.