1124. An Grete Meyer
1124. An Grete Meyer
Wiedensahl 11. April 1897.
Liebe Grete!
Nach einem netten Briefe, den ich von Hunteburg kriegte, muß unn's Mutterchen wieder daheim sein, und deine Haustyrannei hat damit für diesmal ein Ende. Du wirst den braven Vater derweil schön untergefuttert haben, natürlich nicht durch verwerfliche Mittel, sondern in allen Ehren, theils mit Schlauheit, theils mit Herzensgüte. Nun kannst Du dich wieder bequem vor den wohlklingenden Kasten setzen, um der Nachbarschaft bemerklich zu machen, daß du noch da bist; nun darfst du wieder, frei von prosaischen Sorgen, zu Fräulein Goßmann eilen, aus deren Munde so manches treffende Wort litterarischer Weisheit hervor flattert. Werd mir nur nicht gar zu gebildet inzwischen, damit man, wenn man dich wiedersieht, doch noch einigermaßen gegen dich aufkommen kann.
Der Frühling, der neulich die Rosentriebe mehr als nöthig mit kalten Fingern angefaßt hatte, thut seit ein paar Tagen ganz gemüthlich. Übernacht und heut früh fiel ein sanftrieselnder Regen. Flugs brachte Frl. K. die Blumen auf den Anger, und flugs war's mit dem Regen vorbei. Gestern nachmittag kam Onkel Hermann zugereist. Morgen will Tante wiederkommen. Wie mir Hermann aus Hattorf schreibt, hat sie doch heftiger an Influenza gelitten, als ich mir dachte. Von der Reise zur Hochzeit wird kaum was werden. Ich will morgen nach Hannover fahren und dann soll uns Leitner vom Bahnhofe abholen – nachmittags 4 Uhr 56 Min. – hoffentlich aber der Alte und nicht Heinrich der Späte.
Ich zeige dir auch ergebenst an, daß Frau Nickels ihre Schwester, unser altes Dortchen in der Hespe, nach Jahren vergeblichen Harrens endlich Großmutter eines kleinen Mädchens geworden ist. Am zweiten Ostertag wird Kindtaufe sein. Das trifft sich günstig, denn dann ist Tanz bei Ronnenberg, und die Gevatterinnen, darunter Sophie, können daselbst in vollem Staat, geschmückt mit schweinfurtergrünen Kränzen, sich munter im Reigen schwingen.
Gehab dich wohl, liebs Gretchen! und vergiß nicht, hie und da ein wenig zu denken an
deinen alten
Onkel Wilhelm,