1172. An Nanda Keßler

1172. An Nanda Keßler


Hattorf a/ Harz 3. Febr. 98.


Meine liebe Nanda!

Mich freut's, daß es dir und den Deinigen gut geht. Nun hoff ich auch bald aus dem ersehnten Paris einige Worte von dir zu vernehmen, falls du dort in der bunten Zerstreuung dazu Muße genug findest.

Die Cambridgeausgabe des S. ist natürlich nur für Den, der sich mit der einschlägigen Litteratur ausführlich beschäftigen will. Du findst gewiß leicht für dich eine andere, einfachere und angenehm lesbare. Ich für meine Person nahm zuletzt mit Genugthuung eine deutsche zur Hand, herausgegeben von der deutschen S. gesellschaft, worin vor jedem Stück das allgemein Wißenswerthe vortrefflich gesagt wird, so daß man den Text ohne Störung genießen kann. –

Seit über acht Tagen bin ich hier am Unterharz bei Regen und Wind, denke noch eben mal nach Ebergötzen hinüber zu fahren und dann wieder nach Wiedensahl zurück zu kehren. Meine Nichte, die sehr krank war, ist wieder gesund. Die zwei Mädeln haben in der Lehre des Vaters überraschende [118] Fortschritte gemacht. Die ältere, siebenjährige, verfaßt bereits selbständig ein ganz richtiges Brieflein in schöner Schrift. Das Rechnen, scheint's, wird sie bald beßer verstehn, als ich, ihr höchst ehrwürdiger Großonkel.

Hier auf dem Pfarrhofe giebt's noch keine sitzende Glucken. Die eurige ist strebsamer. Nur will ich wünschen, daß das Wetter ihr gnädig sei. Grad jetzt, während ich schreibe, mischt sich Schnee in den Regen. Bis Ostern ist noch viel Platz für den Winter. –

Leb wohl, liebe Nanda! Grüß mir deine Kinder und die lieben Leutchen im Nachbarhause, und sei du selber vielmals gegrüßt von deinem alten Onkel Wilhelm


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