27. An Otto Bassermann

27. An Otto Bassermann


München d. 16 April 1862.


Lieber Otto!

Dein Brief hat mir eine außerordentliche Freude gemacht; ich will ihn auf der Stelle mit einigen Zeilen beantworten.

Unser Fest – du erwähnst es – ist in seiner Maßenwirkung, so wie in der Durchführung einzelner Kostüme, äußerst glänzend vorübergerauscht. Aber abgesehen davon, daß einzelne Leute daßelbe zu ihrem Privatintereße ausbeuteten, hat es dem Vereine nur den Vortheil gebracht, sich nach außen hin den übrigen Gesellschaften ebenbürtig an die Seite gestellt zu haben. Die Nachtheile sind weitaus überwiegend und erst jetzt so recht bemerkbar. In der Aufregung jener Tage, die Demselben vorausgingen, kam der langverhaltene und halbvergeßene Groll unter dem eigentlichen Stamme des Vereins zu voller Blüthe und machte sich in so harten Worten Luft, daß sie wohl nimmer wieder vergeßen werden. Eine gänzliche Zerfahrenheit ist die Folge gewesen. Kaum je zwei der ältern Vereinsmitglieder stehen noch auf dem Fuße des Vertrauens. Fast um jedes derselben hat sich eine kleine »Klike« geschaart, die Abend für Abend ihr Bier zu sich nimmt, nur nicht im Verein. Dazu kommt, daß wir viele gesellige Talente verloren, dich, Unger, Krüger, aber unter den neuhinzugekommenen Mitgliedern kein einzges gewonnen haben. Man schiebt die Schuld auf das bisherige Lokal, was freilich unter dem Luder war, und hat in der Verzweiflung seit gestern provisorisch ein neues genommen, bei Tafelmeyer, vis à vis dem englischen Café, erst kürzlich entstanden, aber was hilft das? Der Kern des Übels steckt tiefer. Wahrscheinlich wird diese Gährung in nächster Zeit von der Monarchie zur Republik führen, wenn nicht alle Zeichen trügen. Der allgemeine Groll hat sich auf das kahle aber gesalbte Haupt unsers Monarchen Pixis geworfen, von dem böse Zungen behaupten wollen, er habe beim Feste zwar nichts gethan, aber allen Ruhm für sich behalten. So sind die undankbaren Maßen des Volkes! Allerlei wühlerische Witzworte über ihn gehen von Mund zu Mund. Man nennt ihn »Atzel den Heunenkönig« wegen seiner Perrücke, oder »Fürst Perückles«, »Herzog vonZweiperücken«, »Graf zu Glatz und von der Lippe« und wie dergleichen hochverrätherisches Zeug sonst noch heißen mag. Das kann unmöglich ein gutes Ende nehmen. –

Was mich betrifft, so bin ich mit meinen unveränderlichen Freunden Seppel und Lossow fast jeden Abend im Franziskanerkeller. Wir unterhalten uns vortrefflich und haben oftmals gewünscht, du möchtest doch auch dabei sein. Krempelsetzer, der sonst auch dazu gehörte, hat sich in letzter Zeit mehr in Musikerkreise zurückgezogen. – Bei dieser Gelegenheit ein paar Worte über das Märchen. – Daß es nur wenig angesprochen, ist Factum. Deine Gründe dafür laße ich gelten; der eigentliche Grund jedoch ist der, daß das Publikum anderthalb Stunden vorher schon im Saale eingepfercht stand und dann noch stehend und schwitzend ein Dreivirtelstunden langes Stück ansehen mußte. Das ist zu viel; und hätte ich nur ein Mal vorher ein ähnliches Fest im Odeon mitgemacht, so wäre das [24] Märchen gewiß nicht zur Aufführung gekommen. Nun! ich hatte wenigstens die Genugthuung, daß das Programm des ganzen Festes, welches bis ins Einzelne von mir herrührte, unverändert durch geführt und allgemein anerkannt wurde. – Doch genug über dieses widerliche Thema! –

Du wirst also nach Berlin gehen und dabei auch Göttingen berühren. Kommst du in letztere Stadt und hast grade nichts Beßeres zu thun, so erkundige dich doch, ob mein Bruder Otto schon dort ist, der zu Ostern die Universität beziehen wird. Es wäre mir lieb, wenn du ihn träfest. – Krüger wirst du noch in Berlin finden. Bei seinem Hiersein habe ich ihn kaum in Ruhe gesprochen. Wie er mir sagte, wird er später wieder nach München übersiedeln. Uns aber, lieber Freund, scheint das Schicksal immer weiter aus ein ander zu führen, wenigstens dem Orte nach, doch hoffe ich, daß wir dennoch Freunde bleiben werden, wie zuvor.

So gehab dich wohl! Grüße Zeroni.

Stets der Deine

W. Busch.


Krügers Adreße in Berlin ist:
Ziethenplatz No 66 parterre

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