645. An Franz von Lenbach
645. An Franz von Lenbach
Wiedensahl 27. April 86.
Lieber Lenbach!
Nachdem ich in Mailand bei kühlem Regen das wundersame Fischgeripp des Doms mit seinen bleichen, zierlichen Gräten betrachtet, aber vergebens auf so schöne Menschen, wie in Rom, gewartet hatte, fuhr ich gegen Abend den Bergen zu. All die Tunnel- und Brückenwirthschaft verschlief ich und trank dann in Flüelen bei gutem Humor einen schlechten Kaffee. – Von Basel bis Frankfurt saß mir eine Mißionarin gegenüber, welche geradeswegs vom Fuße des Himalaya nach 23 Jahren ohne irgend welchen Günther in ihr westfälisches Dorf zurückkehrte. Recht beschämend für einen Reisetroddel, wie z.B. ich.
Samstag Nachmittags betrat ich wieder die heimathliche Hütte, stolz und entzückt, nach diesem rauhen Rom, über den wonnigen Frühling und das milde Klima meines geliebten Vaterlandes. Aber behext hat's mich doch, trotz Wind und Wetter, jenes alte Wundernest. Vieles auch, was ich für verloren hielt, weil nur beiläufig eingeschoben in den Sack, den löchrichten, eines ermüdeten Hirns, findet sich nachträglich wieder ein. Die Verpflichtung zudem für königliche Herberg und kundige Führung empfind ich zwar lebhaft, doch ohne Pein; man darf dies Gefühl schmeichelhafterweise wohl Dankbarkeit in behaglichen Grenzen nennen. Deinen liebenswürdigen Zettel nebst beigelegtem Brief kriegt ich gestern. Günther wird also fort sein. So sei denn du, und Wagner auch, auf's herzlichste gegrüßt von deinem alten getreuen
Wilh. Busch.