772. An Else Meyer

772. An Else Meyer


Wiedensahl 25. April 89.


Meine liebe Else!

Sei bedankt für deinen freundlichen Geburtstagsbrief! – Also Oskar der Große ist versetzt und konfirmirt; Grete desgleichen versetzt in einen ausgedehnteren Wirkungskreis; die Rosen im Gärtchen sind vollzählig, und somit ist Alles, wie ich denke, in schönster Ordnung bei Euch. – Hier grünt der Rasen sehr eilig und überwuchert bereits die bescheidenen Veilchen. Erbsen und Spinat sind heraus. Die Kastanie vor dem Hause, bevölkert von Staaren, entfaltet ihre Blätter; alles Gartenland ist herum; nur Fritz seine Frau sehe ich heut noch mit Graben beschäftigt; kurzum, der Frühling, der längst ersehnte, ist endlich gekommen. Alle Papas fahren Mist.

In Lüethorst war ich neulich acht Tage. Der erste April hatte sich freilich vorbeigedrückt, ohne zu zahlen; aber Onkel war so wohlauf, geistig und körperlich, wie nur je. Die Bauermeisterwahl war das Ereigniß des Tages. Wedekindten, als des Schreibens unkundig, hatte der Landrath vor 3 Wochen abgelehnt. Jetzt hatten sie Ebbeke, den Wiedertäufer, gewählt, und, falls dieser auch nicht genehm wäre, so wollten sie Sternberg, den Juden, wählen. Es fehlt nur, daß sie sich schließlich noch einem Türken verschreiben. Wie beschämend so was ist für ein ganzes Nest voll Lutheraner, scheinen diese Pisänger nicht zu bemerken.

Otto fährt Sonnabend nach Göttingen ab. Ich selber denke nächste Woche mal nach Hattorf, um Hermanns neue Stachelbeer= und Johannisbeeranpflanzungen zu besichtigen, deren Ertrag später vermuthlich zur Weinfabrikation verwerthet werden soll.

Tante läßt dir für den soeben angelangten Brief herzlich danken.

Wir alle mit einander grüßen Dich und Euch Alle zusammen von Herzen.

Dein getreuer Onkel

Wilhelm

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