1162. An Johanna Keßler
1162. An Johanna Keßler
Wiedensahl 10. Nov. 97.
Liebste Tante!
Wenn man über die Zukunft verfügt, kommt oft was dazwischen.
Von Hattorf erhielten wir die Nachricht, daß meine Nichte krank geworden, was uns viel Sorge macht. Meine Schwester, obgleich selbst nicht kräftig, will hinreisen, um dort das Hauswesen zu besorgen. Nun hat unser gutes Frl. K., nachdem sie über sieben Jahre bei uns gewesen ist, wieder in ihre Heimath zurück kehren müßen. Der Ersatz für sie ist uns noch neu und nicht genügend bekannt. Es ist deshalb ausgemacht, daß ich während der Abwesenheit meiner Schwester zu hause bleibe und die angenehmen Besuche, die ich vorhatte, für dieses Jahr aufgebe. – So ist's! Und so muß man's halt nehmen.
Über Ihr Befinden hoff ich gutes zu hören. Das Wetter ist für die Jahreszeit ungemein günstig, so daß ich mir denke, Sie können täglich bei Sonnenschein im Garten spatzieren gehn.
Leben Sie wohl, liebste Tante! Die herzlichsten Grüße an Sie und die Ihrigen von Ihrem getreuen
Onkel Wilhelm.