221. An Nanda und Letty Keßler
221. An Nanda und Letty Keßler
Wiedensahl d. 9ten März 1874
Ihr werdet jetzt wohl kaum Zeit haben, Briefe zu lesen, da nun allbereits bald der Lina ihre Hochzeit sein soll. Ach, du liebs Herrgöttle! Was hat man da nicht alles zu denken, zu laufen, zu sehen, zu eßen, zu sagen und zu trinken, bis das gute Mädel ein gnädiges Madamche wird. – Hätte ich doch nur die vielbelobte und hochberühmte Nebel- und Tarnkappe der listigen Zwerge, wo man sich so reinweg unsichtbar mit machen kann, wie Ihr wißt. Wupps! wär ich auch ganz heimlich bei der ganzen Geschichte mit dabei und kramte da auch so zwischen Euch herum, ohne daß wer was davon sähe, und dann wollte ich wohl sehen, was Ihr für wunderschöne neue Kleider anprobirt und was Ihr für Schluppen und Spitzenkrägen umbindet. Und kämen dann die guten Sachen, welche die brave Madam Schlienbecker bereiten thut, auf den Tisch – ei! – wie so eilig würde ich herbeischweben und umeinandsäuseln, wo's was zu naschen giebt, und wenn ich nichts mehr eßen könnt, so schöbe ich noch dies und das vom Allerbesten in meine großen allmächtigen unsichtbaren Taschen hinein und schliche mich dann so ganz lose leise die Stiegen hinab bis tief unten in Keller, wo die gute hochzuverehrende Frau Mama das Hochzeitweinche liegen hat. Potzzapperment! Das wäre mal was für mich! – Aber bloß die Nebelkappe hab ich nur noch nicht, und da muß ich also froh sein, wenn Ihr mir nur mal schreibt, wie es bei Euch hergeht, was es da für gute Sachen giebt und ob Ihr mir auch eine Butelle aufheben wollt, bis ich wieder emol zu Euch nach Frankfort komme.
Bis dahin, Ihr lieben alten Mädercher, bleibt lustig und gesund und seid auch viel tausend Mal gegrüßt von Eurem
Onkel Wilhelm Busch.