317. Die »oberschwäbische Hochzeit.«

1. Brautbewerbung.

Hat der junge heiratslustige Bauer ein Auge auf des nahen oder weiter gelegenen Hofbauern Tochter, so geht die Sache also vor sich: Mit Rat des Vaters und der Mutter und der Seinigen schickt er einen Werber; bald ist's ein Freund und guter Bekannter, bald ein naher Vetter, dem Bauern in's Haus und läßt anfragen. Diese Anfrage ist aber so gehalten, daß man durchaus nichts von einer Brautwerbung [320] verlauten läßt. Der Bauer, der Vater des Mädchens, versteht die Sache doch ganz gut, wo es hinaus will, und gibt williges Gehör. Der Werber fragt vorerst, wie viel Vieh im Stall sei, mit der Deutung, man möchte ihm's auch zeigen. Jezt wird der Ankömmling in den Stall geführt und ihm der Viehstand gezeigt. Vom Stalle geht's in die Stube, in die Kammern, in alle Gemächer hinauf bis auf den Fruchtboden unter'm Dache, alles wird eingesehen und visitirt. In Stuben, Stubenkammern, Schlafkammern werden Kästen und derartige Tröge und Behälter aufgeschlossen, das Bettzeug, Weißzeug besehen, die Wandschränke geöffnet. Nach dieser Besichtigung läßt sich der Werber allmählig vernehmen, was seines Thuns hier sei, und sagt's dem Vater des Mädchens zuerst. Hat man die Runde von oben bis unten und umgekehrt gemacht, so schickt sich das Bauernmädchen, um dessentwillen all das ist, an, einen kräftigen Kaffee zu machen. Mit demselben wird Honig und Butter vorgesezt und die Unterhaltung wird recht lebhaft. Bis jezt wird immer noch nicht gesagt, in wessen Namen die Sache eingefädelt wird. Erst beim Abgang des Werbers läßt er von sich hören, in wessen Namen und Auftrag er gekommen sei, und gibt zu verstehen, es wäre ihm eine Antwort jezt gleich am liebsten, wenn es auch nur eine Antwort halbwegs, d.h. eine kleine Zusicherung für heute wäre. Es tritt 8-10tägige Bedenkzeit ein. Der Nämliche, der vor acht Tagen da war, kommt wieder und die Sache will bereinigt sein. Es wird jezt schon vertrauter mit einander gesprochen. Die gegenseitigen Aufklärungen über Familienverhältnisse, wozu der Werber die nötigen Instruktionen hat, werden verhandelt, in Erwägung gezogen und hin- und herbesprochen. Ein Hauptpunkt ist der Schuldenstand: [321] die Schulden, die etwa auf Haus und Hof und Gut lasten. Hat sich der Hofbauer gut angelassen und sich nicht abgeneigt gezeigt in den Heiratsangelegenheiten, so nimmt der Werber die frohe Botschaft mit heim und überbringt alles dem jungen Bauer, der heiraten will.

Nach zwei oder drei Tagen kommt der junge Bauer selber in einem noblen Chaischen vor des Hofbauern Haus angefahren und steigt ab. Man begleitet ihn herauf und es gibt jezt einen hübschen Tag. Er wird wacker bewirtet; die Familienverhältnisse werden nochmals eingänglich besprochen, und nach diesem schickt sich der Bräutigam oder Hochzeiter, wie er jezt heißt, an, heimzufahren. Die Braut zieht sich festlich an und er nimmt sie mit in seinen Hof. Wo das Fuhrwerk des Hochzeitpaares vorbeifährt, bekommen Kinder und Arme, die am Wege sich aufstellen, Geld reichlich. Geht's durch Höfe oder an solchen vorbei, wo viele Ehalden, Mägde und Knechte dienen, so kommen sie heraus und halten die Pferde an und stellen sich um das Fuhrwerk. Der junge Bauer muß zur Tasche greifen, das weiß er schon, und brav blechen; dann erst darf er wieder weiter fahren. Dieses Recht haben die Dienstboten seit alten Zeiten. Je näher es seinem Hofe zugeht, desto feierlicher wird's. Böllerschüsse knallen aus allen Höfen, an denen sie vorbeifahren.

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