65. Der Adamsbaum (d.r Adəməbõm).
Seit uralten Zeiten ist in Saulgau die Sitte des Adamsbaums. Dieser Brauch war ursprünglich nur den jungen, verheirateten Mitgliedern des Brennfähnleins, d.h. der Rottenmannschaft, eigen. In dem Wirtshaus des Brennfähnleins kam man am Sonntag nach Lichtmeß zusammen: alles, was zum Brennfähnlein gehörte. Alte Mitglieder schieden aus, junge, neu verheiratete traten ein. Man beriet den Umzug des Adamsbaums und wählte diejenigen, die etwas Besonderes dabei zu thun hatten, so den Pfeifer, den Trommler, den Laternenknecht, den Adamsbaumträger. Der Zug begann von diesem Wirtshaus aus unter ungeheurem Menschenzulauf. Vorne drauß einer mit dem Besen, der Weg machte und die Zudringenden abhielt. Nach ihm kam der Laternenträger mit einer Gabel, an der die Laterne oben hing. Nach diesem kam ein Trommler mit einem Kübel und zwei eichenen Scheitern; ein Pfeifer, dessen Instrument ein rohes, durchbohrtes Holz war. In der Mitte ging einer, von unten bis oben in Schafspelzen eingemacht. Dieser wurde durch's Loos gewählt. Er trug ein mäßiges Bäumlein, [50] woran lauter Aepfel und sonstige essige Ding stacken. Die Sachen wurden an die zugespizten und abgeschälten Aestchen angespießt. Bei diesem war ein Fahnenträger und hinter ihnen die übrige Mannschaft des Brennfähnleins in ihrer gewöhnlichen Kleidung. Der Zug ging durch die ganze Stadt unter furchtbarem Schreien und Singen von folgenden Versen:
Dreimal ging's um jeden Brunnen, um den obern, untern Stadtbrunnen etc. Angekommen wieder bei der Herberge des Brennfähnleins, blieb der ganze Zug stehen, und Alle schrieen, zum Zug und nicht zum Zug gehörig, daß man's bis nach Bonndorf und Moosheim hörte, immer die nämlichen, oben angeführten Reime. Plötzlich warf man den Adamsbaum in die Jugend hinein, die darüber herfiel und sich darum schlug, daß es ergötzlich anzusehen war. Die Sitte des Adamsbaumes ist jezt noch nicht erloschen 1.
Fußnoten
1 Zur Sitte des Adamsbaumes kann verglichen werden Grimm, Myth. 728.